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Verpackungsfrei Leben


Als die Hälfte des Monats geschafft ist, schleichen sich bereits erste Nachlässigkeiten ein. Ein müllfreies Leben bedarf zwar wenig Verpackung, dafür aber umso mehr an folgenden Zutaten: Disziplin, Durchhaltevermögen, Zeit und Geld.


Resümee eines einmonatigen Selbstversuchs

An Überzeugung fehlte es mir nicht. Ich verzichte darauf, die Gründe, die für ein Umdenken in Puncto “Plastikverpackungen” sprechen an dieser Stelle aufzuzählen. Genügend andere und wichtigere Medien haben sich dazu in den letzten Wochen ausgelassen. In München wurde die Debatte mit der Eröffnung des ersten verpackungsfreien Supermarkts im Februar erneut angestoßen und auf sämtlichen Social Media Kanälen heiß diskutiert. Für mich zählte eigentlich nur die bereits im Januar veröffentlichte Hochrechnung, dass die Ozeane bis 2050 mehr Müll als Fisch enthalten sollen. Die Ankündigung der Eröffnung eines OHNE Supermarktes in München war, wie ich zunächst glaubte, mein Trumpf im Ärmel.

Verpackungsfrei Leben, das ist auch ohne verpackungsfreien Supermarkt möglich. Bis auf plastikfreies Klopapier, Spülmittel und Nudeln bekam ich viele verpackungsfreie Lebensmittel entweder im Tante Emma Laden um die Ecke, im Bio-Markt oder schlicht bei den gängigen Supermarktketten.

Mit dem Selbstversuch wollte ich ein Bewusstsein für etwas entwickeln, was mir zuvor nie aufgefallen war.

Sicherlich, ich rege mich schon immer über Müll auf Straßen und in Wäldern auf. Auch Plastiktüten im Supermarkt vermeide ich nun schon seit einigen Jahren – oder versuche sie zumindest nicht mehr ganz so inflationär zu gebrauchen. Mülltrennung (in 80 Prozent aller Fälle) verstand ich schon immer als Selbstverständlichkeit. Aber darüber hinaus? Nein, darüber hinaus habe ich wirklich noch nie etwas für eine müllfreiere Welt getan.

Mein erster verpackungsfreier Tag sollte komplett ohne Vorbereitung verlaufen. Ich stellte mir das Aha- und Schock-Erlebnis dadurch umso wirkungsvoller vor.

Ohne Tricks komme ich aber gleich zu Beginn des Versuchs nicht aus. Ich frühstücke einfach bei meinem Freund. Hier geht es dann schließlich nicht um meinen Müll, sondern um den eines anderen. Ich kann ja schließlich niemanden dazu zwingen mit mir mitzuziehen. Restaurantbesuche sind in der Folge auch ok. Also einfach alles, wo ich nicht selbst Müll wegwerfen muss.


 

  • Servietten

Ich weigere mich bei meinem Freund Servietten zu benutzen. Immerhin wäre dann ein von mir verursachter Müll entstanden. Die Wahrheit ist: Servietten sind für mich nice to have aber keine Notwendigkeit.

Die optimale Lösung wären natürlich Stoffservietten. Nur verursachen diese auch wieder ein Plus an Wäsche und damit wieder ein Plus an Wasserverbrauch. Wer dennoch nicht verzichten will: Die Stoffserviette bringt es voll!

  • Taschentücher

Was für die Servietten gilt, gilt auch für’s Taschentuch. Aber mal ehrlich: Mich schaudert es  bei der Erinnerung an Opas altes Stofftaschentuch. Ich beschließe, dass die Benutzung regulärer Taschentücher, ebenso wie die Benutzung von Klopapier, einfach unumgänglich sind.

  • Tampons

Auf den Tampon gekommen bin ich erst im OHNE Supermarkt. Hier werden auch sogenannte menstrual cups verkauft. Eine Erfindung, die mir neu war, die sich allerdings nach einigen Umfragen im Freundeskreis bereits als jahrelang bewährt herausstellt und nicht weniger unhygienisch als OBs zu sein scheint. Die “Auffangtassen” gibt es in unterschiedlichen Größen und sie können ausgekocht und wieder verwendet werden. Klasse Sache!


 

Nach dem Frühstück bei meinem Freund stehe ich dann übrigens stolz am Bahnhof und blicke verächtlich auf den Müll und die Zigarettenstummel zwischen den Gleisen. Für das Mittagessen im Büro habe ich bereits eine vage Vorstellung: Brot und Salat wird wohl auch ohne Verpackung zu bekommen sein.

Als ich dann tatsächlich im Supermarkt stehe fällt mir auf: Von gefühlt 10 Tomatensorten, gibt es nur eine einzige unverpackt. Beim Salat verhält es sich ähnlich. Grübelnd stehe ich auch vor den Gurken und frage mich, warum diese wohl in Plastik eingezogen werden. Wäre es nicht ebenso sinnfrei Bananen in Plastik zu hüllen?

Später lese ich, dass es für viele Gemüsesorten Verpackungsvorschriften in Supermärkten gäbe, damit sowohl die verschiedenen Sorten, als auch bio und nicht-bio, nicht durcheinander gerieten.

Brot ist natürlich sowieso nur beim Bäcker unverpackt zu bekommen. Hier mache ich in den nächsten Wochen ganz unterschiedliche Erfahrungen: Manche Verkäufer schauen einen ungläubig an und drängen einen dazu doch wenigstens eine Serviette zu nehmen, anderen scheint das verpackungsfrei-Phänomen hingegen alles andere als neu zu sein.

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  • Schokolade & Süßigkeiten

Was wäre ich nur in den vergangenen Wochen ohne meine Kollegen, Freunde und den OHNE Supermarkt gewesen! Dank ihnen blieben mir die schlimmsten Schoki-Entzugserscheinungen erspart. Der OHNE Supermarkt führt zwar keine Schokolade verpackungsfrei, dafür sind hier aber Gummibärchen im Glas zu bekommen.

  • Pasta, Reis & Co

Verpackungsfreie Pasta? Auch hier werde ich natürlich lediglich im OHNE Supermarkt fündig. Zugegeben: Pasta ließe sich auch selber herstellen, aber bei meinem Konsum hätte ich da wohl jedes Wochenende komplett mit der Pasta-Produktion verbringen müssen.

Was das Thema Reis betrifft, stelle ich erfreut fest, dass es auch in den gewöhnlichen Supermärkten Reis im Baumwollbeutel gibt.

  • Der OHNE Supermarkt

Die Idee lässt sich nicht schlecht reden. Das Konzept des Schwabinger Supermarkts weist allerdings einige Schwachstellen auf. Schon nach wenigen Tagen ist hier ein Großteil der Produkte ausverkauft. Ich erinnere mich an einen freudig-erwartungsvollen Gang zum Supermarkt, um eine meiner hübsch verzierten ehemaligen Absynth-Flaschen mit Spülmittel auffüllen zu lassen und meinem langen Gesicht, als ich vor einer leeren Füllstation stehe.

Weiterer Minuspunkt: Eine bislang noch fehlende Käse-Theke und die Füllvorrichtungen, die oftmals noch klemmen.

Ansonsten funktioniert im OHNE Supermarkt alles nach folgendem Prinzip: Man bringt sich sein Behältnis selbst mit, wiegt es vor Ort, füllt es auf und bezahlt nach Gewicht an der Kasse. Der Supermarkt selbst bietet dabei auch verschiedene Größen an Gläsern und Beuteln zum Verkauf an. Einmal gekauft scheint es allerdings danach keine Kontrolle mehr darüber zu geben, ob das Behältnis erneut mitgebracht oder gerade eben erst aus dem Regal genommen wurde.

Vertrauen spielt im OHNE Supermarkt eine große Rolle. Es gibt hier keine Werbung und keine Marken-Auszeichnung der einzelnen Produkte. Folglich vertraut der Kunde darauf, dass ihm hier auch wirklich nachhaltig und lokal produzierte Ware angeboten wird. Eine Auswahlmöglichkeit unter den einzelnen Produkten entfällt. Es gibt alles genau einmal.

Erstaunlich ist, wie gut das Prinzip Vertrauen zu funktionieren scheint. Ich verstehe zum ersten Mal wirklich, dass jegliche Art von Werbung immer nur mit Scheinwelten spielt. Diese unterschiedlichen Scheinwelten geben uns ein vermeintliches Mehr an Entscheidungsfreiheit. Wir brauchen Werbung, um das eine vom anderen Produkt unterscheiden zu können. Sobald es aber eben von allem genau nur ein Ding gibt, wird Werbung obsolet.

Beim erstmaligen verpackungsfreien Reiskochen lerne ich außerdem, wie wichtig Zubereitungshinweise auf Verpackungen sein können. Auch an dieser Stelle hätte der OHNE Supermarkt mit Sicherheit noch Optimierungsbedarf.

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  • Kosmetik

Das Sortiment der verpackungsfreien Kosmetik ist breiter als gedacht. Deo-Steine, Zahnpasta, Seifen und Haarseifen – an alles kann man sich gewöhnen. Jetzt nach meiner verpackungsfreien Zeit bin ich allerdings froh, wieder auf herkömmliches Shampoo zurückgreifen zu können. Meine anfängliche Euphorie über erstaunlich stark schäumende Seifen und die Haut mit Feuchtigkeit versorgende Bäder aus Milch und Öl wurden schnell im Keim wieder erstickt. Verpackungsfreie Körperhygiene ist definitiv ein zeitlicher und monetärer Mehraufwand, von dem ich persönlich schnell genervt war.


Und wo wir gerade schon vom Mehraufwand sprechen – so war das verpackungsfreie Leben wirklich für mich:

  • Ich habe sehr viel Geld in Restaurants ausgegeben.
  • Die vielen Restaurantbesuche hingen unmittelbar damit zusammen, dass ich schlicht keine Zeit (und oftmals auch Lust) hatte, Essen vorzukochen.
  • Auf Plastik konnte ich gut verzichten. Papier und Glas häufte sich hingegen auch in diesem Monat bei mir an.
  • Der Verzicht auf die Kleinigkeit zwischendurch kann einem wirklich jede Lebensfreude rauben.

Fazit

Ich habe sehr oft geschummelt. Ich habe mir einen DVD-Player gekauft. Auch dieser war natürlich verpackt. Die unwahrscheinlichsten Dinge bedienen sich einer Verpackung: Schon mal eine Weinflasche geöffnet ohne danach etwas in den Müll zu schmeißen?

Ich habe gelernt, dass nicht jede Verpackung eine schlechte Verpackung ist! Manche Plastikverpackungen schneiden, wenn sie ordentlich wiederverwendet/verbrannt werden in ihrer Öko-Bilanz besser ab, als Pappkartons. Wo kommt die vermeintlich bessere Pappe schließlich her? Wie werden Gurken-Gläser hergestellt? Wie die Baumwollbeutel?

Monatlich eine Woche verpackungsfrei zu leben ist für jeden drin! Dabei lernt man wieder verstärkt auf Resteverwertung zu achten, generell ein Gespür dafür zu entwickeln, welche Verpackungen unnötig sind und entdeckt vielleicht sogar, dass selbstgemachte Peelings für die Haut einfach noch viel toller sind, als industriell hergestellte. Für weitere Inspiration zum verpackungsfreien Leben empfehle ich den Blog Trash is for Tossers oder Ihr folgt unserem Blog einfach auf Pinterest.

 

One comment

  1. Hut ab, das hast du wirklich toll gemacht!!

    Ich wuenschte bei uns wuerde es auch so einen Supermarkt geben, aber hier wird sogar das in Plastikverpackte noch einmal an der Kasse in eine Plastiktuete getan und wenn man diese verweigert wird man angeschaut , als kaeme man vom anderen Stern!!!
    Ich werde aber durch deine Anregung versuchen nochmehr auf Plastik zu verzichten , soweit es moeglich ist!!!

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